"Ein unbeschreiblich schönes Gefühl"
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- Created on Thursday, 02 April 2015 16:21
- Category: Vereinsgeschichte
Fußball-Urgestein Peter Henschel über seine drei Pokalsiege, den Weg ins Finale gegen Dresden und das "Wunder von Berlin"
In wenigen Wochen jährt sich zum 40. Mal der sensationelle Sieg der BSG Sachsenring im FDGB-Pokalfinale über die SG Dynamo Dresden. Die Zwickauer Fußball-Helden von damals erinnern sich gern an das "Wunder von Berlin". Thomas Croy vom FSV Medienpartner "Freie Presse" hat sich mit Peter Henschel unterhalten.
Sie haben dreimal mit Zwickau das FDGB-Pokal- finale erreicht und dreimal gewonnen. Welcher Sieg war Ihnen der wichtigste? Und warum? Peter Henschel: Eigentlich waren alle drei Pokalsiege sehr schön. Beim ersten waren Peter Meyer und ich ganz jung in die Mannschaft gerutscht und haben mit den alten Hasen in Altenburg unseren ersten Pokalsieg gefeiert. Beim zweiten hatten wir das Endspiel gegen Rostock, die damals eine grandiose Rolle spielten. Dass wir 3:0 gewonnen haben, war eine ganz tolle Sache. Von der sportlichen Leistung her war natürlich der Pokalsieg 1975 das Beste. Dynamo Dresden stand ja für hohe Spielkultur und hatte viele Nationalspieler. Wir waren krasser Außenseiter. Aber wir sind eine eingespielte Mannschaft gewesen. In der Endkonsequenz war auch ein bisschen Glück dabei, weil wir durch Elfmeterschießen gewonnen haben. Wichtig war für uns, dass wir nie aufgesteckt haben, obwohl nach wenigen Minuten mit Dieter Leuschner einer unserer besten Spieler verletzt worden war. Und dann ist uns entgegengekommen, dass ein, zwei Spieler von Dynamo einschließlich "Dixie" Dörner, an dem Tag sicherlich nicht ihre beste Form hatten.
Sie haben auf dem Weg ins Endspiel den BFC, Stralsund und Aue bezwungen. Das war ja kein lockerer Durchmarsch, oder? Vor allem das Spiel in Aue war schwer. Wir hatten zu Hause 1:0 gewonnen und oben in Aue 1:2 verloren. Ein Tor, das nicht anerkannt wurde, war sehr strittig und erhitzte die Gemüter: Der Schiedsrichter stand direkt auf der Torauslinie und hat gesehen, wie Sportfreund Schaller bei Jürgen Croy auf den Füßen stand und hat deswegen abgepfiffen, noch bevor Alfons Babik das Tor gemacht hat. Das wäre das 3:1 für Aue und für uns das Aus gewesen. Doch es war eben ein grobes Foulspiel. Da Rudi Glöckner gepfiffen hat - einer der weltweit besten Schiedsrichter, die es damals gab -, war es eine richtige und klare Entscheidung.
Im Finale am 14. Juni 1975 galt Sachsenring gegen Dresden als krasser Außenseiter. Wie hat Ihre Mannschaft die Chancen vor dem Spiel selbst eingeschätzt? Wir haben uns gesagt, dass wir vor allem die ersten Minuten gut über die Runden kommen müssen. Uns war klar, dass wir nicht nur hundert Prozent, sondern noch etwas mehr geben mussten. Und das haben wir auch während des gesamten Spiels, bis hin zum Elfmeterschießen, eingehalten. Jeder hat gekämpft bis zum Umfallen, sonst hätten wir gegen Dresden nie gewinnen können.
Welche taktische Marschroute hatte Trainer Karl-Heinz Kluge ausgegeben?Er hat auf die alten Strategen gesetzt. Und die Devise ausgegeben, erst mal die Null hinten zu halten. Jürgen Croy war in dieser Hinsicht ja ein Garant. Mit Roland Stemmler, Hans und Joachim Schykowski und mir gab es eine gestandene Truppe in der Abwehr. Den Nachteil, den wir gegenüber den schnellen, technisch beschlagenen Stürmern von Dresden hatten, machten wir wett, indem die nicht einen Kopfball gewinnen konnten. Die Flanken, die kamen, haben wir alle weggeköpft.
Die Abwehr stand bis zur 65. Minute sicher. Nach dem 0:1 mussten Sie hinten aufmachen und haben plötzlich nach vorn spielerische Akzente gesetzt. Wurde Dynamo damit überrascht? Auf alle Fälle. Aber es blieb uns ja nichts anderes übrig. Wir mussten die Taktik umstellen und offensiver werden. Und wir hatten mit Heinz Dietzsch einen im Mittelfeld, der präzise Flanken spielen konnte, die letztlich entscheidend waren, um zweimal den Ausgleich zu machen. Das wussten wir, und das hat geklappt. Und mit Ludwig Blank und Peter Nestler auf den Außen sowie Werner Bräutigam als Mittelstürmer hatten wir zudem drei richtig gute Leute vorn. Die waren beweglich, technisch stark und sind in jeden Zweikampf gegangen.
Wie ist das 1:1 gefallen? Bei Standards war unsere Körpergröße ein Vorteil. Joachim Schykowski war bei jeder Standardsituation, wenn er mit nach vorn gegangen ist, kreuzgefährlich. Egal, wie der Ball kam - wenn er hoch genug war, ist "Aki" mit dem Kopf dran gewesen.
Kurz nach dem Ausgleich sind Sie ausgewechselt worden. Was war der Grund dafür? Es war in der 78. Minute. Ein Zweikampf mit Peter Kotte. Ein sehr guter Mann, der aber mehr geackert als gespielt hat. Da ich schon eine leichte Knieblessur hatte, konnte ich nicht mehr weitermachen. Ich war danach eine ganze Zeit verletzt. Dieter Schubert kam für mich rein und hat ein ganz großes Spiel gemacht.
Wie fühlt man sich auf der Bank, wenn man nicht mehr selbst ins Geschehen eingreifen kann?Das war schlimm. Gerade wenn man so begierig ist, was zu erreichen und dann aus dem Rennen genommen wird. Während der restlichen Minuten bis hin zum Elfmeterschießen habe ich wohl meine ersten grauen Haare gekriegt.
In der Verlängerung ist Zwickau erneut in Rückstand geraten. Hat in diesem Moment noch jemand an den Sieg geglaubt? Da der Ausgleich erst kurz vor Ende fiel, haben wir draußen nur mitgefiebert, aber nicht mehr so sehr dran geglaubt. Als dann Heinz Dietzsch den Ball hatte und die Flanke rein brachte zu Peter Nestler, war auf einmal klar: Jetzt muss das Tor fallen. Und es hat geklappt. Ich bin hochgesprungen. Das war der Wahnsinn. Da habe ich gleich meine Verletzung nicht mehr gemerkt und hätte mir fast noch eine neue zugezogen.