"Ich sollte eigentlich zu Carl Zeiss Jena" | ► Pokalsieger von 1975 zu Gast beim letzten Regionalligaheimspiel gegen Babelsberg ◄

Am kommenden Sonntag zum Regionalligaheimspiel gegen den SV Babelsberg gibt es ein Wiedersehen mit unseren Pokalhelden von 1975. Anlässlich des diesjährigen 40. Jahrestages wird der FSV Zwickau in der Halbzeitpause zum letzten Regionalligaheimspiel der Saison die Pokalsiegermannschaft von 1975 ehren.

15-05-21 HDietstart

Elfmeterspezialist Heinz Dietzsch über seinen Wechsel nach Zwickau, den Rückhalt der Fans und Training auf fremden Plätzen

Zwickau. In wenigen Wochen jährt sich zum 40. Mal der Sieg der BSG Sachsenring im Pokalfinale gegen Dynamo Dresden. Die Zwickauer Fußball-Helden von damals denken auch heute noch gern an das "Wunder von Berlin". Reiner Thümmler vom FSV-Medienpartner hat sich mit Heinz Dietzsch unterhalten.

Was fällt Ihnen zum Pokalsieg von vor vier Jahrzehnten auf Anhieb ein?Heinz Dietzsch: Es geht mir sofort durch den Kopf. Als erstes das große Stadion in Berlin mit den voll besetzten Rängen, der tollen Stimmung mit 55.000 Zuschauern. Zweitens der Spitzengegner Dynamo Dresden, der mit sehr vielen Nationalspielern, wie zum Beispiel Hans-Jürgen Dörner (100 A-Länderspiele), Reinhard Häfner (58), Gerd Weber (35), Siegmar Wätzlich (24) und Peter Kotte (21) bestückt war. Drittens: Dieses Erlebnis, als Spieler in so einem Endspiel zu stehen, was man eigentlich nie so oft erlebt.

Wer war denn damals Ihr Gegenspieler in diesem dramatischen und legendären Finale und wie bewerten Sie ihn?Eduard Geyer war mein spezieller Gegenspieler im Mittelfeld. "Ede" war ein knallharter Manndecker mit allen Wasser gewaschen. Er konnte mich aber in diesem Spiel nie richtig ausschalten, ich habe unsere zwei Tore vorbereitet.

Nach einem 1:1 in der regulären Spielzeit sowie 2:2 nach Verlängerung und 120 Minuten hatten Sie vor 40 Jahren nach dem Tor von Wätzlich zum 3:2 den ersten Elfmeter zum 3:3 verwandelt. Wissen Sie noch, wohin Sie geschossen haben?Ja, ich weiß es noch zu hundert Prozent. Von mir aus ins linke obere Dreieck. Ich wollte eigentlich etwas flacher schießen, weil Torhüter Claus Boden körperlich ein kleiner Keeper war.

Sie galten als ein Spezialist im Elfmeter-Verwandeln. Haben Sie das trainiert?Das ist so. Nach jeder Trainingseinheit wurde zu meiner aktiven Zeit das Elfmeterschießen ganz speziell durchgeführt.

Wann kamen Sie denn nach Zwickau zum Fußball spielen?Es war im Sommer 1966, ich kam von Einheit Elsterberg und wir spielten in der 2. DDR-Liga. Ich wurde allerdings für zwei Spiele gesperrt, weil ich aus einem anderen Bezirk, von Gera nach Karl-Marx-Stadt, wechselte. Ich sollte eigentlich zum FC Carl Zeiss Jena, habe mich aber für die BSG Motor Zwickau entschieden.

Bereits am 4. Oktober 1967 waren Sie beim Europa-Pokal-Heim-Rückspiel gegen Torpedo Moskau (0:1) dabei, mit gerade einmal 19 Jahren. Fallen Ihnen noch Spieler aus dieser Zeit ein?Auf alle Fälle der Ex-Nationalspieler Eduard Strelzow, der hatte schon 38 Länderspiele und 222 Ligaeinsätze hinter sich, 100 Tore geschossen und war Fußballer des Jahres 1967 und 1968 in der damaligen UdSSR und Torschütze zum 1:0 in Zwickau. Nach dem 0:0 in Moskau bedeutete dies das Aus für uns.

Kann man die Pokalsiegermannschaft der BSG Sachsenring Zwickau von 1975 und der BSG Motor Zwickau von 1967 in etwa vergleichen?Was waren für Sie die Unterschiede? Zwischen dem Team von 1975 und 1967 gab es keine gravierenden Unterschiede von den Spielerpersönlichkeiten her. Wir hatten ein sehr gutes Gemisch von Technikern und Kämpfern. Das war unsere Stärke und zeichnete uns aus.

Auch gegen den AC Florenz (Endstand 6:5 nach Elfmeterschießen) haben Sie den ersten Strafstoß für die BSG zum 2:2 verwandelt, nachdem zuvor Caso die Italiener in Führung brachte. Wurde die Reihenfolge vom Trainer bestimmt oder wie war es?In Abstimmung mit unserem Trainer Karl-Heinz Kluge und den Spielern wurde der Ablauf des Elfmeterschießens genau festgelegt.

Was zeichnete die BSG Sachsenring Mitte der 70er-Jahre aus?Wir hatten als Spieler einen festen Arbeitsplatz gehabt, konnten regelmäßig früh und nachmittags trainieren, wie die Clubs in der DDR. Es gab eine sehr große Unterstützung durch den Betrieb VfB Sachsenring. Wir konnten uns weiterbilden, unter anderem zum Industriemeister oder Maschinenbau-Ingenieur, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

Was hat der Pokalsieg für die Mannschaft bedeutet?Durch den Pokalsieg gegen Dresden ist die Mannschaft noch enger zusammengerückt. Alle waren heiß auf die neuen Herausforderungen, um sich als Spieler beweisen zu können. Es waren Top-Mannschaften aus Griechenland, Italien, Schottland und Belgien gegen die wir dann spielten. Die acht Europacup-Partien waren für unsere Mannschaft etwas Außergewöhnliches, so etwas vergisst man nie. Wir waren eine Mannschaft aus der Region und die bis zu 40.000 Zuschauer an der Halde bildeten mit uns, vom Anpfiff bis zum Schluss, eine geschlossene Einheit. Deshalb haben wir es auch bis ins Halbfinale 1976 geschafft. Da wir keine vernünftigen Trainingsplätze hatten, haben uns viele kleine Vereine aus der Umgebung hervorragend unterstützt und wir konnten bei ihnen gut trainieren, das war spitze.

Erst Spieler, dann Trainer

Heinz Dietzsch (67) ist Zwickau treu geblieben. Noch heute wohnt er mit seiner Familie in der Stadt und besucht ab und an die Spiele des FSV. Seine Verbundenheit mit dem Verein rührt jedoch nicht nur aus seiner aktiven Zeit als Spieler, er war von März bis Oktober 2007 auch Trainer der Zwickauer Oberliga-Mannschaft. Ihm folgten bis heute Peter Keller, Dirk Barsikow, Matthias Zimmerling, Nico Quade und Torsten Ziegner.

Am Wochenende treffen sich die einstigen FDGB-Pokalhelden in Zwickau, um das Jubiläum zu feiern. Heinz Dietzsch ist auf jeden Fall dabei.

Bericht veröffentlicht in der Freie Presse am 21.05.15 | Fotos: Frank Kruczynski, Ralph Köhler